Südtiroler Leit und ihr Glump: Apfelbauer Hermann Gufler und sein Rezept zum Glück
Schon auf der Fahrt durch die Südtiroler Täler sieht man sie in rauen Mengen. Kurz hinter Brixen geht es los: Apfelwiese reiht sich an Apfelwiese. Grüne, rote, gelbe Äpfel so weit das Auge reicht. 40 Kilometer weiter westlich steht Hermann Gufler im Hang unterhalb des Ansitz Golserhof, dem Elternhaus seiner Frau, und sieht sich einen von Sonnenbrand betroffenen Apfel an. Ich begleite ihn heute auf seinem Weg durch die Apfelplantage und erfahre, was neben Sonne, Hagel und Frost noch gefährlich für seine Äpfel werden kann. Aber auch, wieso dieser Mann so eine unfassbar positive Ausstrahlung hat – und was sein Beruf damit zu tun hat.
Den hat er Anfang der 60er auf der Obst- und Weinbauschule erlernt – und übt ihn bis heute mit Freude aus. Geboren auf dem Plantitscherhof bei Meran heiratete der Obst- und Weinbauer 1971 die Tochter vom Golserhof in Dorf Tirol, und ihre Kinder kamen ganz nach der Familie: Die geborenen Gastwirte. Schon in den 50ern hatten die Südtiroler gelernt, dass ein zweites Standbein neben der Landwirtschaft unumgänglich ist – und, dass sich ihre Heimat ganz herrlich für den Tourismus eignete.
Fremdenzimmer, Hotels, Buschenschänken: Immer mehr Bauersfrauen erkannten sowohl die Notwendigkeit, als auch den Spaß an der Arbeit. So auch Hermann Guflers Mutter und Schwiegermutter, und nun auch seine Tochter und sein Sohn. Und was hat das bitte mit Glück zu tun?
Die 5 Wege zum Glück nach Hermann Gufler
1. Pflicht und Passion verbinden – tu, was du liebst und liebe, was du tust!
„Mittlerweile haben bei uns in Südtirol 70 bis 80 Prozent der Landwirte ein zweites Standbein im Tourismus. Schon mein Professor auf der Obst- und Weinbauschule hat mit damals gesagt, wie wichtig es ist sich abzusichern“, erzählt er „aber da muss natürlich auch eine Leidenschaft dahinter stehen. Meine Schwiegermutter, meine Mutter, das waren wirklich begeisterte Gastwirtinnen. Und das hat sich zum Glück auch bei meinen Kindern fortgesetzt.“ Jeder, der einaml Gast im von seiner Tochter Hiltrud geführten Ansitz Golserhof war, kann das bezeugen; Sohn Johannes führt mittlerweile ein Hotel im Plantitscherhof.
Und Hermann Gufler? Der baut auf den Wiesen, die zu den Häusern gehören, Äpfel und Wein an. Acht Apfelsorten sind es mittlerweile – darunter der zuverlässige Gala, mein Liebling Braeburn und eine neue Apfelsorte mit dem Namen Envy. Dahinter steckt genauso viel Leidenschaft wie hinter der Arbeit seiner Kinder. Und er weiß: „Darauf kommt es schließlich an – dass man etwas nicht nur aus Einkommenspflicht macht, sonder auch aus Passion. Nur dann kann man damit auch erfolgreich werden.“
2. Offen für Neues sein – geh mit der Zeit!
Ebenso wichtig wie die Freude und die Leidenschaft für die Arbeit finder er es aber auch, mit der Zeit zu gehen. „Unsere Obstbaugenossenschaften sind nur deshalb so erfolgreich, weil sie sich strukturell und qualitativ stets weiter entwickelt haben. Und das gilt auch für jeden Einzelnen von uns.“ Hermann Gufler selbst hat sein Leben lang jedes Seminar, jeden Vortrag und jede Weiterbildungsmaßnahme wahrgenommen die sich ihm angeboten hat. „Die Entwicklung bleibt ja nie stehen – zum Beispiel in Richtung Nachhaltigkeit. Da muss man eben auch mitgehen, nicht denken ‚Das haben wir schon immer so gemacht‘, sondern mit der Zeit gehen. Offen zu sein für Neues, das ist enorm wichtig um langfristig Erfolg zu haben!“
Von anderen lernen, das gehörte für ihn sein Leben lang auch dazu, zum Beispiel auf Lehrreisen und im Vergleich mit der Konkurrenz. „Dabei hat man immer etwas gesehen was man nicht machen möchte, oder was bei uns vielleicht auch gar nicht geht – aber eben auch jeden Funken einer Chance für den eigenen Betrieb wahrgenommen. Und das kannst du nur, wenn du mit den Ohren und den Augen offen bist und dich nicht versperrst gegen Neues.“ Und gegen das Fremde, das Unbekannte: Auch die Koexistenz der Südtiroler und der Italiener in Südtirol sieht Hermann Gufler als gegenseitige Befruchtung, da wirkte vielleicht die Lockerheit der Italiener, vielleicht der Wille, Sachen anzupacken, der Südtiroler – und im besten Fall wirken sie zusammen. „Man muss ja nicht alles Alte über Bord werfen, aber man darf sich auch nicht verklemmen an Dingen.“
Ist diese Offenheit typisch Südtirol? Frage ich mich. „So denkt schon ein Großteil der Südtiroler – aufgeschlossen gegenüber Neuem, cor allem unter den Jüngeren. Mittlerweile bin ich auf den Obstbauseminaren ja immer unter den Ältesten und sehe voller Freude, wie viele junge Leute da sind und auch heute noch mit Begeisterung und Freude vor allem an der Weiterentwicklung des Südtiroler Obstbaus interessiert sind.“
3. Dankbar sein und stolz – aber nie überheblich!
„Man darf schon zufrieden mit sich sein, wenn man etwas erreicht hat“, findet der Mann, dem man den Stolz und die Freude über seine Arbeit und Erfolg seiner Kinder deutlich ansieht- „Aber man sollte nie überheblich werden. Ich habe das auch immer zu den Kinden gesagt: Nie angeben, auch nie jammern, sondern immer realistisch mit den Füßen auf dem Boden bleiben – dann wirst du nie weit fallen.“ Was klingt wie ein Spruch aus dem Poesiealbum, manifestiert sich in Hermann Gufler selbst: Auf eine solche Mischung aus Zufriedenheit, Selbstbewusstsein und Bescheidenheit trifft man selten.
4. Ans Gute glauben – sieh die Sonne, nicht die Wolken!
Er bringt mich zum Grinsen als genau der, dessen Optimismus ich so sehr schötze, zu mir sagt dass er eben diesen auch in mir sieht. Aber er liegt so richtig. „Es gibt immer diese Leute, die sagen ‚Ah, da kommt bald ein Wolkenbruch‘. Und vielleicht haben die auch Recht, und es schüttet gleich. Aber du musst die Sonne sehen! Und wenn mal Wolken vor der Sonne sind, dann kannst du dir aber sicher sein: Dann kommt die ja wieder! Und das muss ich durch dein ganzes Leben durchziehen, ob du Bauer bist oder Hotelier oder Journalist, sonst wirst du unglücklich.“
Ohne jede Dramatik zeigt er mir einen vom letzten Hagel getroffenen Apfel am Rand seiner Wiese, wenige Meter weiter einen mit Sonnenbrand. Rupft einige Blätter ab, an denen er den Befall von Mehlwürmern entdeckt hat. „Na, das passiert halt! Stattdessen konzentriert man sich auf all die gesunden Äpfel, die unter den Netzen Schutz vor Hagel, Sonne und Vögeln haben und gut gedeihen.“ Hermann Gufler, der Nagel und der Kopf!
Statt sich über diejenigen zu ärgern, die weniger optimistisch durchs Leben gehen – wie ich es übrigens häufig tue – sieht er seine eigene Lebenseinstellung eher als Chance: „Das ist ja eine Gabe! Nicht jeder wird so geboren, und deshalb soll man versuchen auch dem etwas davon zukommen zu lassen, der sie nicht hat. Dem muss man weiterhelfen, aus einer negativen Situation etwas Positives mitzunehmen. Das ist ja schließlich ein Geschenk, wenn man diese positive Art hat, da kann man ruhig dem anderen etwas von abgeben.“ Und was so getippt und gelesen nach Gutmenschtum klingt, das ist einfach nur ernst gemeint und kommt von Herzen; das merkt man, wenn man ihm auf der Bank in seiner Apfelwiese gegenüber sitzt.
5. Nie aufgeben – aufgeben tut man nur die Post!
Noch so was für Poesiealbum: Aufgeben tut man nur die Post! Soll heißen? „Natürlich gibt es immer Tiefpunkte im Leben. Aber die gehen vorbei. Das verspreche ich, man muss nur daran glauben.“ Das tue ich sofort. Und den Spruch von Hermann Guflers Mutter, den mit der Post – den pinne ich mir an die Wand hinter meinem Schreibtisch.
Typisch Südtirol?
Das sonnige Gemüt, die Zuversicht und die Bereitschaft, Dinge zu ändern wenn es nötig ist.
Das perfekte Mitbringsel?
Na, ein Apfel natürlich, oder zwei.
Unter dem Titel „Leit und Glump“ bin ich im Juli ein langes Wochenende durch Südtirol gereist und habe unterschiedlichste Südtiroler auf einen Schwank aus ihrem Leben getroffen. Alle Infos zu dem Projekt findet ihr hier, alle Social Media Posts unter dem Hashtag #LeitundGlump. Vielen Dank für die Einladung an die Südtiroler Marketing Gesellschaft – und natürlich an Hermann Gufler für seine Zeit!